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Sehende Daumen
Der kleine Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg

Autorin:

Simone Müller

Heilpraktikerin
Naturheilpraxis:
Adolf Reichwein Str. 8
07745 Jena
Tel. 03641 - 890398
Fax: 03641 - 665503


© 2002 J. Kamphausen Verlag

Meine ersten Kontakte mit der Methode Dorn

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Die Ausbildung zur Heilpraktikerin begann ich unter eigenem Leidensdruck. Seit Jahren quälten mich chronische Rückenschmerzen, die gleichzeitig auf den Magen ausstrahlten. Die Schmerzen beeinträchtigten mein Leben so sehr, dass ich meine ganze Hoffnung in die Heilpraktikerschule setzte. Ich stellte indes schon bald fest, dass ich in der Ausbildung nicht das lernte, womit ich mich identifizieren konnte. Da fiel mir eines Tages eine Anzeige von Helmuth Koch auf. Er versprach, eine wirkungsvolle Therapieform zu vermitteln, womit Rückenschmerzen beseitigt werden konnten: die Dorn-Methode.

Helmuth Koch schaffte es, mich für diese Methode zu begeistern. Mein Hunger nach Information war so groß, dass ich zur Quelle dieses Wissens vordringen musste, zu Dieter Dorn.

Mit den Daumen sehen

Im Frühjahr 1995 rief ich Dieter Dorn an und bat, von ihm seine Wirbelsäulentherapie lernen zu dürfen. Da ich meine Termine immer langfristig plane, wollte ich in voraussichtlich 3 Monaten kommen. Worauf er in seinem unnachahmlichen Dialekt rief: »Was, in drei Monaten erst! Da bin ich vielleicht schon tot.« – Um Gottes willen, dachte ich, so alt ist der schon!

Also fuhr ich bereits zwei Wochen später mit einer Freundin nach Lautrach. Vor dem Haus von Dieter Dorn reihten wir uns in die Schlange der Wartenden ein. Einige Zeit später öffnete ein Mann mit einem sympathisch strahlenden Gesicht die Tür und blickte in die Runde. Er sagte: »Wo sind meine Assistenten?« Wir schauten uns gemeinsam mit den anderen in der Runde um und fragten uns, wer wohl seine Assistenten wären. Als er uns bemerkte, rief er: »Seid’s ihr nicht die zwei aus Jena? Da kommt mal rein!«

Mittlerweile war mir klar, dass dies Dieter Dorn sein musste, und mit stolzgeschwellter Brust liefen wir hinter ihm her. Wir hatten noch nichts von ihm gelernt, aber er bezeichnete uns bereits als seine Assistenten! In der Küche stellte er sich kurz vor, erklärte ein paar Grundlagen seiner Methode und sagte: »Und ihr seid’s mir nicht böse, dass ich euch wieder wegschicke, falls ich feststelle, dass ihr mit euren Daumen nicht umgehen könnt. Nur wenige haben wirklich die richtigen Daumen: Ihr müsst mit ihnen sehen können.«

Was Dieter Dorn damals sagte, finde ich heute in meinen Seminaren immer wieder bestätigt. Viele Kursteilnehmer geben sich große Mühe und haben trotzdem kein Gespür für die Wirbel. Am schlimmsten sind diejenigen, die schon vorher sagen: »Ich merke sowieso nichts.« Diese Leute sind mental so blockiert, dass sie tatsächlich nichts spüren.

Die Dorn-Methode ist zuerst eine reine Sinneserfahrung der Daumen. Sie braucht Zeit, Vertrauen in die eigenen Hände und Liebe zur Therapie. Die rein manuelle Technik ist leicht zu erlernen, allerdings folgt ihr ein langer Erfahrungsweg, um wirklich gute Behandlungserfolge zu erzielen.

Kommen Sie noch einmal mit mir zurück ins Frühjahr 1995 zu Dieter Dorn in seine Küche. Er holte den ersten Patienten herein und sagte: »Seht her, so werden die Beinlängen gemacht – und so der Rücken. Und jetzt macht’s ihr!« Beim nächsten Patienten konnte ich meine Freundin noch vorschieben, aber dann war ich an der Reihe. Nachdem die Beinlängen korrigiert waren, ging es an die Wirbelsäule. Die Frage Wie kann man mit den Daumen sehen? hatte ich bis dahin noch nicht geklärt, und ich traute mich auch nicht, Dieter Dorn darauf anzusprechen, zumal ich vorher wissend genickt hatte.

Die einzige Chance für mich sah ich darin, alle Gedanken auszuschalten. Mein Wissen über Verhärtungen, Verspannungen, Gleitwirbel und Ähnliches sollte in dem Moment des Fühlens unwichtig sein. Ich projizierte das Modell der Wirbelsäule, das auf dem Küchentisch stand, in den Patienten, schob alle Muskeln und Fettpolster zur Seite und konzentrierte mich einzig und allein darauf, was meine Daumen fühlten.

Mit dem Erfolgsdruck im Nacken – und dem Gedanken: »Hoffentlich schickt er mich nicht weg« – arbeitete ich mich die Wirbelsäule entlang und ließ jede gefundene Blockierung von Dieter Dorn kontrollieren. Gerne würde ich mich rühmen, jeden fehlstehenden Wirbel gefunden zu haben. Leider war das nicht der Fall. Nach Hause schickte mich Dieter Dorn deswegen allerdings nicht. Nachdem er einige Patienten nachkontrolliert hatte, ließ er uns alle weiteren selbstständig behandeln. Währenddessen sagte er ständig: »Die machen’s gut, die zwei.«

Also hatte meine Methode funktioniert: Das alte Wissen musste heraus – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Kommunikation zwischen Daumen und Gehirn klappte. Der Kopf musste frei sein für die neue Erfahrung der Hände. Die Verbindung zwischen Daumen und Gehirn muss nämlich erst aufgebaut werden – gelingt das, haben wir sehende Daumen.

Üben, üben, üben ...

Der Rest ist Übung. Nehmen Sie sich den folgenden Satz zu Herzen: Erst spüren – dann noch einmal fühlen – dann arbeiten – dann aufarbeiten. Während Sie bei einem Patienten die Wirbelsäule entlangfühlen, um nach Fehlstellungen zu suchen, müssen alle Ihre Sinne auf den Daumen gerichtet sein. Fühlen Sie so lange nach den Dorn- und Querfortsätzen, bis Sie ein Bild davon haben, wie der Wirbel steht. Lassen Sie sich Zeit dafür und vergleichen Sie den Stand des darüber und darunter liegenden Wirbels so lange, bis Sie einen sicheren Befund haben.

Danach, aber wirklich erst danach versuchen Sie sich und gegebenenfalls Ihrem Patienten Antworten zu geben, warum gerade der Muskel an diesem Wirbel verkürzt ist, warum er genau nach dieser Seite eine Schonhaltung eingenommen hat und auf alle anderen in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen. Im Nachhinein werden Sie feststellen, dass die Dorn-Methode äußerst logisch ist. Sie gehört meiner Meinung nach zu den wenigen Therapieformen, bei der die Anatomie und Physiologie des menschlichen Bewegungsapparates wirklich beachtet werden.

Eine Bestätigung meiner Arbeit mit der Dorn-Methode erhalte ich regelmäßig bei dem Vergleich zwischen Röntgenbildern und meinem Tastbefund. Ich komme dann zu dem gleichen Befund wie der behandelnde Arzt, aber meine Diagnose ist eine ganz andere – ebenso wie die anschließende Therapie, bei der es an die Ursachen der Beschwerden geht. Nach jeder Behandlung gebe ich meinen Patienten Übungen an die Hand, die sie zu Hause absolvieren müssen. Nur so kann Ursachentherapie betrieben werden.

Sollten Sie zu den Therapeuten gehören, die unsicher im Fühlen sind oder gar nichts fühlen, dann üben Sie entweder weiter, bis Sie sich sicher sind, oder verwenden Sie die Dorn-Therapie nicht. Das ist Ehrlichkeit sich selbst und den Patienten gegenüber. Nur so bleibt der zu Recht bestehende Ruf dieser Methode als Segen für viele Schmerzgeplagte erhalten. Allen anderen Behandelnden, die mit der Dorn-Methode arbeiten, wünsche ich, dass sie mit ihren sehenden Daumen noch viele Schmerzen beseitigen werden – und allen Patienten wünsche ich einen solchen Therapeuten.

Einfach wirkt oft besser

Manchmal überlege ich, warum vor Dieter Dorn niemand darauf gekommen ist, durch so ein paar leicht erlernbare Techniken Menschen von ihren oft Jahre währenden Schmerzen zu befreien. Warum bin ich nicht selbst auf diese Idee gekommen? Ich meine, das liegt daran, dass wir in überholten Mustern denken, nach dem Motto: Wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Muss denn wirklich alles kompliziert und für den Laien unverständlich sein, um zu wirken? In Seminaren höre ich vor allem von Physiotherapeuten immer wieder: »So einfach kann das nicht sein.« Doch, so einfach ist es aber. Ohne den sehenden Daumen kann allerdings niemand etwas mit dieser einfachen Methode ausrichten.

Ein Patient sagte mir einmal: »Ich war bei vielen Ärzten und Professoren, die Experten auf ihrem Gebiet sind und Bücher veröffentlicht haben. Niemand konnte mir helfen. Dann kommen Sie Kleene, die nicht einmal einen Doktortitel hat, und schaffen in einer Behandlung, was andere in Jahren nicht vollbracht haben.«

Solche Erfolge sind nicht selten. Daher kann ich es nicht oft genug wiederholen: »Danke, Herr Dorn!«